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Russischer Erdölkomplex - Privatisierung versus staatliche Regelung

 

Alexej Melnikow, Mitglied im Dumaausschu fur Budget und Steuern, JABLoko, Moskau
Wostok Newsletter 4/2000

Srussisch eit einemen JahrRegierungwird inder der Umgang mit den im st aatlichen Besitz befindlichen Aktienpaketen der Erdolgesellschaften beraten . In let zter Zeit hat dieser Streit an Relevanz gewonnen. Eine endgultige Ent scheidung wird fur Juni erwartet.

In der Regierung gibt es zwei Standpunkte. Das Ministerium fur staatliches Vermogen (russ. Abk.: MGI) au ert sich dahin gehend, da die staatlichen Aktienpakete der vier Gesellschaften (Luko-il, Slawneft, Rosneft, ONAKO) ver-kauft werden sollen. MGI-Leiter Farit Gasisullin sagte: „Wenn uns genehmigt wird, alle vier Gesell-schaften zu verkau fen, dan n konnten wir die Einnahmen des foderalen Haushalt s um 27 bis 30 Milliarden Rubel erhohen.“

Eine andere Position vertritt das Energieministerium. Der bis-herige Energieminist er Viktor Kaljuschny war der Ansicht , da der Staat die Erdolgesellschaft „Gosneft“ grunden solle und die staat lichen Aktienpakete an den Gesellschaften Lukoil, Slawneft , Rosneft und ONAKO sollt en die Stammeinlage der Gesellschaft bilden.

Minist erprasident Michail Kassjanow beauftragte Kal-juschny An fang Mai, der Regie-rung einen Bericht mit einer Feasibility-Studie fur „Gosneft“ vorzulegen. Nach Berat ung die-ses Berich ts will die Regierung dann ihre endgultige Ent schei-dung treffen.

MGI fuhrt eine zweifache Argumentation ins Feld. Zum er-sten, da ein Verkauf dem russi-schen St aatshau shalt Mehrein-nahmen sichern wurde. Im Haus-haltsplan fur 2000 ist MGI vor-geschrieben, achtzehn Milliar-den Rubel zu erwirt sch aften . Falls 4,5 bis 7 Prozent der Aktien von Lukoil, 19,68 Prozent der Akt ien von Slawneft, 25 Prozent plus eine Akt ie von Rosneft und 85 Prozent der ONAKO-Aktien verkauft wurden, wurde diese Vorgabe um mindest ens 150 Pro-zent uberboten. Angesicht s der angespannt en Haushaltslage ist dies fur die Regierung ein ge-wichtiges Argument. Wenn aber die staatlichen Bet eiligungen an den Erdolgesellschaft en nicht verau ert werden, dann wurde die Haushaltsvorgabe von achtzehn Milliarden Rubel prinzipiell in Frage gestellt. Denn MGI kann kein ein ziges gro es staatliches Unternehmen benennen, das an-statt der Aktien der Erdolgesell-schaften verkauft werden konn-te. Einzige Ausnahme ware die Holding Swjasinvest , aber der MGI-Chef erklart e, da die Ent -scheidung, „wann sie - in diesem oder im nachsten Jahr - zu ver-kaufen ist, von der Situation auf dem russischen und internatio-nalen Wertpapiermarkt abhangig ist.“

Zum zweiten ist der Verkauf von Rosneft laut dem Leit er des Russisch en Foderalen Vermo -gensfon ds (russ. Abk.: RFFI) Igor Schuwalow „die ein zige Mog-lichkeit , die Beziehungen mit den Glaubigern zu regeln“. Die Interessen des Staates bei Slaw-neft werden zudem durch einen „aggressiven“ Invest or bedroht, der die Aktien der Tochterunter-nehmen der Gesellschaft auf-kauft, wahrend ONAKO lediglich fur einige russische Un terneh -men von Interesse ist.

Im Unterschied zum MGI ver-fugt das Energieministerium uber keine Argumentation zu -gunsten der Grundung von Gos-neft. Seine Haltung beruht allem Anschein nach n ur auf dem Be-streben, einen Teil des Erdol-komplexes Ru lands direkt u nd ohne Ru cksicht auf den Auf-wand fur den St aat in staatli-chem Besitz zu h alten . Im Moment ist unklar, welchen Vorteil der St aat aus dieser Entschei-dung ziehen wurde. Heut e wird die Erdolindustrie zu einem Gro -teil von privaten vertikal verbun-denen Gesellschaften kontrolliert. Der Staat h at die Konkurrenz auf diesem Markt aufrechtzuer-halt en und den Proze einer ef-fizient en Verwaltung des Erdin-nern zu organisieren.

Laut den meist en russischen Analyst en ist es wirt schaftlich ineffizient , im russischen Erdol-geschaft eine staatliche Struktur zu grunden, die bestimmt fur die eigene Entwicklung en dlos Gel-der aus dem foderalen Haushalt ertrot zen, wettbewerbsfreie Be-teiligung an Projekten der Erdol-forderung beanspruchen und si-cherlich das Recht fordern wird, den staat lichen Erdolant eil in den Projekten auf Basis der Production-Sharing-Abkommen zu verkaufen, die in Ru land um-gesetzt werden.

Die Regierung hat zwar eine endgultige Ent scheidung, die st aatlichen Bet eiligungen an den vier Erdolgesellsch aften zu verkaufen, noch nicht getroffen; MGI und RFFI arbeit en jedoch schon an der Realisierun g des Privatisierungsprogramms. Das Lukoil-Paket ist prakt isch aukti-onsbereit . Laut dem RFFI-Vorsit-zenden Schuwalow werden fur die zum Verkauf bestimmten Ak-tien dieser Gesellschaft ADRs aus-gegeben. Sie werden im Herbst an den Borsen in London un d New York geh andelt werden. Schuwalow ist uberzeugt, da Ru land fur dieses Paket etwa 400 Millionen Dollar erlosen kann.

RFFI und MGI bereit en sich ebenfalls auf die Sitzung der Re-gierung vor, auf der der Bericht des Energieministeriums uber die Grundung von Gosneft eror-tert werden soll. Ende Mai wer-den die Unt ern ehmensgruppen Morgan St anley/Daen Witt er und Credite Suisse/First Boston, die die ADRs fur die Lukoil-Akti-en plazieren sollen, eine Stu die uber Lukoil vorlegen. Die Taktik von RFFI und MGI ist also ein-fach und effizient: Man mu den abstrakt en Uberlegungen uber die Notwendigkeit, Gosneft zu grunden, deutliche Empfeh-lungen uber die Verkaufsweise sowie konkret e Zahlen und Ein-nahmen fur den russischen Haus-halt entgegenstellen.

Allem Anschein nach sin d MGI und RFFI sich sicher, da die Entscheidung fur eine Privatisie-rung der staatlichen Bet eiligun-gen an den Erdolgesellschaften getr offen wird. RFFI beginnt be-reits jetzt mit den notwendigen Akt ivitat en, um die ADRs bis En-de November auf den westlichen Markten zu plazieren. Dieses „Uberrundungsspiel“ wird eben-falls ein paar Pluspunkt e im Streit mit dem Energieministeri-um einbringen.

Man darf allerdings nicht ubersehen, da eine der Richtun-gen der heutigen Ent wicklung Ru lands in der zunehmenden Rolle des Staates best eht. Daher ist nicht ausgeschlossen, da den deutlichen und vom Standpunkt der gesellschaft lichen Interessen aus sinnvollen Uberlegungen uber die Privat isierung die In teressen der Symbiose der Staat sburokrat ie un d starken oligarchischen Industrie- und Finanzgruppen entgegengestellt wer den.

Amnestiegesetz

Die russisch e Staatsdu ma hat ein Amnestiegesetz, mit dem bis zu 120 000 Haftlin ge vor-zeitig aus dem Gefangnis ent-lassen wurden, in erst er Le-sung mit gro er Mehrheit an-genommen. 390 Abgeordnete stimmten fur das Geset z, n ur sechs dagegen. Das Gesetz war aus Anla des 55. Jahres-tages des Sieges uber den Na-tionalsozialismus in die Duma eingebracht worden. Das Amnest iegeset z gilt nach Aussagen von Justizmi-nister Juri Tschaika in erster Linie fur Haft linge, deren Strafma u nter drei Jahren liegt oder deren Strafe in we-niger als einem Jahr ablauft . Nach seinen Ausfuhrun gen konnten die russischen Justiz-behorden durch die Amnestie rund zwei Milliarden Rubel einsparen und fur die Moder-nisierung der Strafanstalten verwenden. (pb)